Religion - Übersicht
Die Religion ist Urprung und Grundlage der gesamten traditionellen Kultur in Nepal. Nicht nur sakrale Praktiken, sondern auch Feste und Feiern, die Kunst, Literatur, Sitten und Bräuche oder auch nur der Ablauf des täglichen Lebens sind, alles wird mehr oder weniger von der Religion beeinflusst. Die wechselvolle politische Geschichte des Kathmandu-Tals hat entscheidend auch die Religion beeinflusst und die besondere Beziehung zwischen Hinduismus und Buddhismus in Nepal bewirkt.

Vermutlich in der Zeit des großen indischen Kaisers Ashoka (4. Jhd. v.Chr.) hielt der Buddhismus Einzug, dem sich das Volk auch bald schon zuwandte. Die Herrscher der Newar bis einschließlich der Licchavi-Herrscher (etwa 350-750 n.Chr.) jedoch bekannten sich weiterhin zum Vishnuismus, einer Form des Hinduismus. Bis zum heutigen Tag wird der nepalesische Monarch als „Avatar“, als ein Abstammender von Vishnu betrachtet.

Unter dem Einfluss Nordindiens wandelte sich der frühe Buddhismus im Kathmandu-Tal ab 100 n.Chr. allmählich zum Mahayana-Buddhismus. Ungefähr 500 n.Chr. entwickelte sich im nordindischen Mahayana-Buddhismus unter Einfluß des Yoga-Kultes eine Bewegung, die man Tantrismus nennt. Ihre Lehren und Praktiken wurden in den „Tantras“ (Schriften) zusammengefaßt. Der Tantriker sucht die Erlösung durch magische Riten, mitunter auch durch orgiastische Praktiken. Unter dem Einfluss der Tantras entstand gegen Ende des 6. Jhd. n.Chr. ein shivaitischer Mystizismus, der weibliche Gottheiten, meist Gattinnen Shivas, verehrt und Shaktismus genannt wird. Der Shaktismus weist dem weiblichen Prinzip eine ausschlaggebende Bedeutung innerhalb des Weltprozesses zu. Entweder wird die höchste Gottheit als weibliches Wesen verstanden (Durga, Kali etc.) oder die männliche Gottheit kann nur mit Hilfe von weiblichen Energien (Shakti) ihre Wirksamkeit entfalten. Der Shaktismus ist eng verwoben mit dem indischen Tantrismus und ist neben Shivaismus und Vishnuismus eine der drei Hauptrichtungen des Hinduismus. Unter dem Einfluß der shaktischen Ideenwelt der Hindus entstand eine Richtung innerhalb des tantrischen Buddhismus, die auch shaktisches Vajrayana genannt wird, welche in der Vereinigung eines männlichen und weiblichen Prinzips die höchste Realität erblickt. Sie kam im frühen 10. Jh. nach Nepal.

Unter immer stärker werdender Betonung von Ritual und Mystizismus wandelte sich der Buddhismus auf diese Weise zum shaktischen Vajrayana-Kult. Dieser Wandel trug in Nepal dazu bei, dass sich Shivaiten und Buddhisten näherkamen, im wesentlichen durch den gemeinsamen Kult der Verehrung. Übereinstimmung im Ritual führte dazu, dass beide Religionen Götter der jeweils anderen Seite in ihr Glaubensbild integrieren konnten.
Muktinath, 108 Wasserspeier Muktinath, Fire Gompa
Muktinath, Vishnu-Chenrezig Tempel Teich vor dem Vishnu-Chenrezig Tempel
Die offizielle Staatsreligion ist der Hinduismus, dem sich 80% der Nepalesen als zugehörig bezeichnen, etwa 12% sind Buddhisten, der Rest verteilt sich vor allem auf das Christentums und den Islam. Jedoch sind Hinduismus und Buddhismus mit dem Tantrismus sowie Resten animistischer Urreligionen, welche sämtliche Dinge mit einer Vielzahl von guten und bösen Geistern als beseelt betrachten, miteinander verwoben. Die einzelnen Elemente dieser Glaubensrichtungen sind unzertrennbar miteinander so verbunden, dass es oft unmöglich ist, die verschiedenen Bestandteile voneinander abzugrenzen. Dies wird auch gar nicht versucht. Buddhistische und hinduistische Kultstätten stehen nebeneinander oder werden auch gemeinsam genutzt. Oftmals wird ein und dieselbe Götterfigur unter verschiedenen Namen von Anhängern beider Religionen verehrt. Viele Feste werden gemeinsam, teils mit unterschiedlichen Inhalten, gefeiert. Muktinath, in der Nähe des Ortes Ranipauwa im Distrikt Mustang, Ziel sowohl hindiustischer als auch buddhistischer Pilger, ist beispielhaft für eine friedliche Koexistenz der beiden Religionen. Es begrüßt den Besucher mit buddhistischen Gebetsmühlen, während 108 Quellen, die aus einer Wand entspringen, wiederum den Hindus heilig sind. Eine brennende Erdgasflamme, welche einer Quelle entspringt und so alle Elemente an einem Ort vereinigt, findet sich in der biddhistischen Fire Gompa (Mebar Lhakang Gompa) und ist den Buddhisten heilig. Beiden Religionen leben auch hier in Muktinath problemlos miteinander.So besteht das religiöse Weltbild aus einem Neben- und Übereinander religiöser Richtungen, Schulen und Theorien, welches durch die Toleranz beider Religionen hinsichtlich der Einbeziehung fremder Einflüsse ermöglicht wurde.

Nach den allgemeinen Darstellungen der Religionen „Hinduismus“ und „Buddhismus“ soll auf deren landestypische Ausprägungen eingegangen werden.
Hinduismus