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1. Das Leben des Siddharta Gautama (ca. 563-483 v.Chr.)
Die Kindheit
Siddharta Gautama wuchs in Kapilawastu auf, der Hauptstadt des kleinen Reiches Shakya am nördlichen Rand des Ganges-Beckens, im Süden des heutigen Nepal. Über das Geburtsjahr ist sich die Wissenschaft nicht einig. Meistens wird in der Literatur das Jahr 563 v.Chr. angegeben. Siddhartas Vater Suddhodana aus dem Klan der Gautama war Raja (König) von Sakya (die Bezeichnung Buddha Shakyamuni leitet sich von hier ab; sie bedeutet: der Weise aus dem Geschlecht der Shakya). Als seine Mutter Maya die Niederkunft nahen fühlte, verließ sie die Hauptstadt Kapilawastu, um im Heimatort ihrer Eltern das Kind zu gebären. Doch bereits unterwegs, in der Nähe des Dorfes Lumbini, gebar sie im Schatten eines Sal-Baumes (Shorea robusta) einen Sohn. Der Geburtslegende nach war Maya von einem weißen Elefanten mit 6 Stoßzähnen geschwängert worden, von dem sie geträumt hatte. Das Kind gebar sie stehend, und es entstieg sogleich seinem Bett aus Lotusblüten, machte sieben Schritte in jede Himmelsrichtung und verkündete, dass es zur Erlösung finden werde. Erschöpft und fiebernd wollte Maya mit ihrem Sohn in die Hauptstadt zurück kehren, doch sie erlebt nur noch, wie acht Brahmanen dem Kleinen in einer Zeremonie den Namen Siddharta verliehen („der, welcher sein Ziel erreicht hat“), und starb dann am siebten Tag nach der Niederkunft. Die Erziehung des Kindes übernahm ihre Schwester Mahaprajapati, die später Suddhodana heiratete. Über die Geburt sowie das Leben und die Lehre Buddhas berichtet der „Pali-Kanon“ (Tipitaka).

Die Suche
Siddhartas Vater, Suddhodana, wurde bei der Geburt geweissagt, sein Sohn würde entweder ein Weltenherrscher oder aber, wenn er das Leid der Welt erkennt, erleuchtete Wahrheit in die Welt bringen und zum Welterlöser werden. Suddhodana, der Raja, ließ seinen Sohn als den Erben des Reichs daraufhin in einem goldenen Käfig aufwachsen; der Anblick von Leid jeder Form sollte ihm erspart werden. Als Siddharta 16 Jahre alt war, wurde er mit seiner Cousine Bhaddakaccana verheiratet. Endlich, im Alter von 29 Jahren, begann für ihn mit der Legende von den „Vier Ausfahrten“ die Wandlung des im Luxus lebenden Prinzen zum Sucher nach einem neuen Glauben. Er verließ zum erstenmal die Palastanlage und begegnete bei drei Ausfahrten menschlichem Leiden in Form eines greisen alten Mannes, eines Kranken und eines Toten. Tief ergriffen nahm er die Erklärungen seiner Begleiter über diese Formen des Leids entgegen. Sie hatten ihm die Augen geöffnet für die Vergänglichkeit aller Dinge. Als er bei einer vierten Ausfahrt einem Wanderasketen begegnete, stand sein Entschluss fest: noch in der Nacht der Geburt seines Sohnes Rahula („die Fessel“), so die Legende, verließ er heimlich seine Familie und den Palast, um als wandernder Asket sinnsuchend durch das Land zu ziehen. „Und ich“, so berichtete er später „legte die gelben Gewänder an und zog aus dem Haus in die Hauslosigkeit hinaus, um das höchste Heil und den unvergleichlichen Frieden zu suchen.“ Nachdem sich der junge Pilger verschiedenen Meistern angeschlossen hatte, ihre Lehren übernahm, sich aber immer wieder enttäuscht von ihnen abwandte, wurde ihm schließlich klar: „Kein Meister kann mir den Weg weisen, ich selbst muss diesen finden.“ In die Einsamkeit des Waldes zog er sich zurück und führte ein Leben in strengster Askese. Immer weniger aß er und berichtete später: „Gleich dürren, welken Rohrknüppeln wurden meine Gliedmaßen, gleich einem Kamelhuf mein Gesäß und wie eine Kugelkette mein Rückgrat. Wollte ich meine Bauchdecke fühlen, berührte ich mein Rückgrat, denn Bauch und Rückgrat waren durch meine äußerst geringe Nahrungsaufnahme nahe aneinander gekommen.“ Mit fünf Wanderasketen, die ebenfalls ihre Körper marterten, um zu höherer Erkenntnis zu gelangen, teilte er seinen Weg. Doch sechs Jahre extremer Askese brachten ihm keine Erkenntnis. Durch eine Erinnerung an seine Kindheit, als er im Schatten eines Rosenapfelbaumes einen Zustand freudiger Enthobenheit, eine Versenkung in sich selbst „ohne sinnliche Gelüste und böse Ideen“ erlebt hatte, erkannte er endlich, dass ein solch glückhaft-leichter Zustand durch strengste Askese nicht zu erreichen sei. Er begann wieder zu essen, stärkte seinen Körper und erreichte schließlich sein Ziel.

Die Erkenntnis
Im Jahr 528 v.Chr., im Alter von 35 Jahren, ließ sich Siddharta im Wald bei Uruvela (heute Bodhgaya im nordindischen Bundesstaat Bihar) unter dem Bodhi-Baum zur Versenkung nieder. In einer tiefen neunstündigen Meditation erlangte er Erleuchtung und wurde zum Buddha. Der „Pali-Kanon“ zitiert seine eigene Darstellung dieser Meditation: in der ersten Nachtwache zwischen 21.00 und 24.00 Uhr erinnerte sich Siddharta „an eine, an zwei, drei, vier, fünf, zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig, hundert, tausend, hunderttausend Geburten“, an seine früheren Existenzformen im Kreislauf der Wiedergeburten. In der zweiten Nachtwache zwischen Mitternacht und 3.00 Uhr sah er „mit dem himmlischen Auge, dem klaren, über menschliche Grenzen hinaus reichenden, wie die Wesen vergehen und wieder entstehen.“ Und er erkannte die Wirkung des Karma, sah in aller Deutlichkeit, welche Einflüsse zu Wiedergeburten führen, wie gute Taten zu guten Wiedergeburten führen und schlechte zu schlechten. In der letzten Nachtwache schließlich von 3.00 bis 6.00 Uhr „richtete ich meinen Geist auf die Erkenntnis der Vernichtung der Einflüsse und erkannte wahrhaftig: ‚Dies ist das Leiden; dies seine Ursache; dies seine Aufhebung; dies der Weg zur Aufhebung.‘ Und indem ich dies erkannte und einsah, wurde mein Geist von den Einflüssen der sinnlichen Lust, der Daseinsbegierde und der Unwissenheit befreit. Das Wissen ging mir auf: Vernichtet ist für mich die Wiedergeburt.“ Siddharta wurde in dieser Nacht zum Erleuchteten, zum Buddha. Und er war gewiss: „Gesichert ist meine Erlösung, dies ist meine letzte Geburt, ein Wiederentstehen gibt es nicht mehr!“

Die Lehre
Fürst Siddharta, jetzt der Buddha, der Erleuchtete, war an das Ziel seiner Suche angekommen. Nun wurde aus dem Sinnsucher der Religionsstifter, denn „Geöffnet sei allen, die hören, die Tore zur Todlosigkeit!“ 45 Jahre lang zog er fortan lehrend durch das Land. Zunächst begab er sich zu den fünf Wanderasketen, welche mit ihm den Weg strengster Askese geteilt hatten, und erläuterte ihnen den Weg zur Erkenntnis als den „Mittleren Weg“ zwischen den Extremen der Hingegebenheit an Lustvergnügen inmitten von Lustobjekten und der Hingegebenheit an selbstquälerische extreme Askese. Und in der ersten Lehrrede vor den fünf Wanderasketen, seinen früheren Begleitern, erklärte der Buddha im Wildpark Ishipatana bei Benares mit den vier edlen Wahrheiten den Kern seiner Lehre.
Das Rad der Lehre
Das „Rad der Lehre“ (Dharmacakrapravartana) war mit der Predigt vor den fünf Wanderasketen in Bewegung gesetzt worden. Unablässig zog der Buddha durch das „Mittlere Land“, die Ebene im mittleren Bereich des Gnages. Noch 45 Jahre sollte der Buddha seine Lehre verkünden, die prinzipiell jedem Menschen den Weg zur Erlösung aus dem Kreis der Wiedergeburten öffnet. Er gründete einen Mönchsorden und, nachdem sein Vater gestorben war und seine Stiefmutter ihn gebeten hatte, sie zu ordinieren, auch einen Nonnenorden. Wenn er im Alter nicht mehr die Kraft hatte, eine Rede zu beenden, bat er seinen Lieblingsmönch Ananda, die Darlegungen fortzuführen. Im Jahr 483 v.Chr. wanderte der Buddha (vermutlich) nach Kosala, einem Königreich in der Gangesebene. Doch er kam nur langsam voran und wurde unterwegs gemeinsam mit den ihn begleitenden Mönchen bei einem Goldschmied zum Übernachten eingeladen. Das hier angebotene Gericht machte den Meister jedoch misstrauisch, und er bat, seinen Begleitern diese Gabe nicht darzureichen. Er selbst jedoch kostete von der Speise, um den Gastgeber nicht zu beleidigen. Stunden später litt er an unerträglicher Übelkeit. Unter starken Schmerzen kam er noch bis zur Stadt Kusinara. Seine Anhänger betteten ihn außerhalb der Stadt im Schatten eines Sal-Haines (Shorea robusta). Dort gab er klare Anweisungen, wie mit sein Leichnam zu verfahren sei. Die Bewohnern Kusinaras sollen seinen Körper verbrennen, die Mönche sollen sich jedoch darum nicht kümmern, sondern nur an ihrer eigenen Erlösung arbeiten. Den trauernden Lieblingsmönch Ananda tröstete der Buddha: „Gräme dich nicht! Wir alle müssen uns einmal von allem Lieben und Angenehmen trennen, von ihm Abschied nehmen.“ Noch am gleichen Tage pilgerten viele Bewohner Kusinaras zu dem berühmten Mann. Ausdrücklich bestimmte der Buddha keinen Nachfolger: „Die Lehre und die Ordenszucht, die ich euch dargelegt und erläutert habe, sind nach meinem Tode eure Meister“ erklärte er. Nach einer letzten Rede in der folgenden Nacht verschied der Meister in einer tiefen Meditation.
Thanka mit dem Lebenslauf des historischen Buddha Shakyamuni
Nachdem die Mönche von Buddha in die Lehren eingewiesen worden waren, zogen sie durchs Land, um seine Lehre weiter zu verbreiten. Ihren Lebensunterhalt hatten sie durch Almosen zu bestreiten. Ebenso galt für sie der Verzicht auf Nahrungsaufnahme nach der Mittagszeit, der Verzicht auf Tanz und Musik zur Zerstreuung, auf komfortable Nachtlager sowie auf den Besitz von Geld. Neben den Ordensmitgliedern nahm aber auch die Anzahl der Laienanhänger bald zu, jedoch hauptsächlich bei der geistigen Elite. Für das einfache Volk war die Lehre Buddhas zunächst zu komplex. Laiengläubige hatten fünf Weisungen zu befolgen: sie sollten keine Lebewesen töten, nicht stehlen, sich von der Sinneslust zu keinem unrechten Lebenswandel verführen lassen, nicht lügen und keine berauschenden Getränke zu sich nehmen.
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