< 1. Das Leben des Siddharta Gautama 3. Das Vermächtnis des Buddha >
2. Die Lehre des Buddha
Im Jahr 528 v.Chr., im Alter von 35 Jahren, ließ sich Siddharta im Wald bei Uruvela (heute Bodhgaya im nordindischen Bundesstaat Bihar) unter dem Bodhi-Baum zur Versenkung nieder. In einer tiefen neunstündigen Meditation erlangte er Erleuchtung und erkannte wahrhaftig: ‚Dies ist das Leiden; dies seine Ursache; dies seine Aufhebung; dies der Weg zur Aufhebung.‘ Und indem ich dies erkannte und einsah, wurde mein Geist von den Einflüssen der sinnlichen Lust, der Daseinsbegierde und der Unwissenheit befreit. Das Wissen ging mir auf: Vernichtet ist für mich die Wiedergeburt.“ Siddharta wurde in dieser Nacht zum Erleuchteten, zum Buddha. Und er war gewiss: „Gesichert ist meine Erlösung, dies ist meine letzte Geburt, ein Wiederentstehen gibt es nicht mehr!“ Fürst Siddharta, jetzt der Buddha, der Erleuchtete, war an das Ziel seiner Suche angekommen. Nun wurde aus dem Sinnsucher der Religionsstifter, denn „Geöffnet sei allen, die hören, die Tore zur Todlosigkeit!“ 45 Jahre lang zog er fortan lehrend durch das Land. Zunächst begab er sich zu den fünf Wanderasketen, welche mit ihm den Weg strengster Askese geteilt hatten, und erläuterte ihnen den Weg zur Erkenntnis als den „Mittleren Weg“ zwischen den Extremen der Hingegebenheit an Lustvergnügen inmitten von Lustobjekten und der Hingegebenheit an selbstquälerische extreme Askese. Und in der ersten Lehrrede vor den fünf Wanderasketen, seinen früheren Begleitern, erklärte der Buddha im Wildpark Ishipatana bei Benares mit den vier edlen Wahrheiten den Kern seiner Lehre.
Die vier edlen Wahrheiten
1. „Dies ist die edle Wahrheit vom Leiden: Geburt ist leidhaft, Alter ist leidhaft, Krankheit ist leidhaft, Tod ist leidhaft; mit Unliebem vereint, von Liebem getrennt sein ist leidhaft, Begehrtes nicht zu erlangen ist leidhaft.“ (Dukkha)
2. „Dies ist die edle Wahrheit von der Entstehung des Leidens: es ist die Wiedergeburten bewirkende, mit Gefallen und Verlangen verbundene Gier, die Gier nach sinnlicher Lust, die Gier nach dem Dasein, die Gier nach Vernichtung.“ (Samudaya)
3. „Dies ist die edle Wahrheit von der Aufhebung des Leidens: dies ist das Erlöschen der Ursachen des Leidens, die Vernichtung, die Aufgabe, die Verwerfung, das Loslassen dieses Verlangens, das Befreien und das Freisein von eben dieser Gier.“ (Nirodha)
4. „Dies ist die edle Wahrheit von dem zur Leidensaufhebung führenden Weg, dem edlen achtfachen Pfad: rechte Anschauung, rechtes Denken, rechtes Reden, rechtes Verhalten, rechter Lebensunterhalt, rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit, rechte Meditation.“ (Magga)

Der edle achtfache Pfad
1. Rechte Anschauung, rechte Erkenntnis
2. Rechtes Denken, rechte Gesinnung
3. Rechtes Reden
4. Rechtes Verhalten, rechtes Handeln
5. Rechter Lebensunterhalt
6. Rechtes Bemühen, rechtes Üben
7. Rechte Achtsamkeit
8. Rechte Sammlung, rechtes Sichversenken

Es ist also der edle achtfache Pfad der buddhistische Weg, der zur Aufhebung des Leidens hin zur vollkommenen Erleuchtung führt. („Recht“ ist immer das, was nicht ich-bezogen, sondern auf das Ganze bezogen, angemessen ist. Buddhas Weg ist ein Weg der Mitte, der alle Extreme meidet. Die ersten beiden Glieder beziehen sich auf das Denken und die Gesinnung, denn das Tun fängt nicht erst mit der Tat an; die Vorbereitungen für eine Tat finden immer bereits im Denken statt, ob bewusst oder unbewusst. Die Glieder drei bis fünf beziehen sich auf das sittliche Verhalten. Bei den letzten drei Gliedern geht es um das Geistestraining, den Zugang zur spirituellen Dimension. Allgemein ist mit dem Begriff „Pfad“ ist nicht ein linearen Fortschreitens von Stufe zu Stufe gemeint. Alle Komponenten sind von gleicher Wichtigkeit und sollten daher immer gleichzeitig geübt werden. Querverbindungen und gegenseitige Abhängigkeiten unter den einzelnen Pfadgliedern sind vorhanden. So gehört die „rechte Rede“ beispielsweise zum Bereich des „rechten Handelns“ und „rechtes Handeln“ ist wiederum nur in Verbindung mit „rechter Achtsamkeit“ möglich.)

Allen Menschen lehrte der Buddha, Männern und Frauen. Eine Unterscheidung nach Kasten, wie im Hinduismus üblich, erkannte er nicht an. Er selbst verstand sich nie als Gott, sondern immer als Mensch. Er war auch nicht durch einen Gott inspiriert; seine Vollendung und seine Leistungen erklärte er einzig als Ergebnis seiner eigenen menschlichen Bemühungen. Daher ermutigte der Buddha seine Anhänger, nie Hilfe bei anderen zu suchen, sondern sich selbst zu entwickeln, um den befreiten Zustand zu erreichen, den jeder Mensch nur aus sich heraus erreichen kann.
In einem weiteren wesentlichen Punkt unterscheidet sich die Lehre des Buddhas von der hinduistischen Weltanschauung. Der Mensch werde zwar wiedergeboren, so erklärte der Buddha, doch sei diese Wiedergeburt keine Seelenwanderung, vielmehr eine Art fortlaufende Beeinflussung einer Existenz durch eine andere. Eine unsterbliche Seele gebe es nicht. Wer die „Vier edlen Wahrheiten“ erkennt und den „Edlen achtfachen Pfad“ beschreitet, wer Begierde, Hass und Verblendung in sich vernichten kann, der gewinnt sein persönliches Heil. Das ist das Ende des Leidens, die Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten, das Nirvana, das „Verwehen“ oder „Verlöschen“, der eigentlich nicht zu beschreibende, gleichwohl irgendwie glückliche Zustand des Nicht-Seins.
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