< 2. Die Thakuri und die frühen Malla 4. Beginn der Shah-Könige >
3. Die drei Malla-Reiche (1482-1769)
König Jaya Yakshamalla hatte vorgesehen, dass ab 1482 seine sechs Söhne und der Sohn seiner Tochter gemeinsam von Bhaktapur aus regieren sollten. Doch der ehrgeizige Prinz Jaya Ratnamalla soll der Überlieferung nach durch eine List seinem sterbenden Vater die Formel für die Anrufung der Göttin Taleju, der Beschützerin der Dynastie, entrissen haben - eine Formel, die traditionsgemäß nur dem ältesten Sohn preisgegeben wurde. Mit dieser Formel proklamierte er seine Rechte auf Kathmandu und erstürmte 1484 die Stadt. Die anderen Prinzen hielten bis 1487 die gemeinsame Regierung aufrecht. Danach wurde das Land in die Königreiche Kathmandu, Patan und Bhaktapur aufgeteilt.
Liste der Malla Könige
Kathmandu
Bhaktapur Patan
Fortan ist die Geschichte des Landes bis 1768 von der Rivalität dieser Königreiche geprägt, sowohl politisch, aber auch in religiösen und künstlerischen Breichen. Im Konkurrenzkampf um die schönste Stadt entstanden die heute noch zu bewundernden Kunstschätze, denn die rivalisierenden Könige versuchten in kultureller Hinsicht sich gegenseitig zu überbieten - ob es nun um den prachtvollsten Palast, die höchste Pagode oder die verschwenderischsten Opfergaben ging. So war die Geschichte der Malla-Dynastie ganz besonders in den Königsstädten des Kathmandu-Tals eine Geschichte der schönen Künste - ausgeführt von den geschickten Newars.
Bhadgaon, Bhairav Mandir
Patan, Krishna Mandir Bhatgaon, Harishankar Mandir
Bhaktapur (Bhadgaon), Nyatapola Mandir, 1877, 1960, 1980, 2015
Doch trotz aller Rivalität verstanden sich die drei Königreiche stets als eine Einheit. So waren zu wichtigen Feiern immer alle drei Könige anwesend, oder die Einsetzung eines neuen Königs geschah stets durch einen seiner Bruderkönige. So war es gerade die Rivalität und das gleichzeitige Gefühl der Einheit, wodurch sich diese Periode zu einer Blütezeit in Kunst und Kultur in einer parallelen Entwicklung der drei Königreiche entfaltete.
Silbermünze von König Jaya Bhaskar Malla von Kathmandu
Tonmünze von König Siddhi-Narasimha Malla von Patan
Silbermünze von König Yoga Narendra Malla von Patan
Silbermünze von Jaya Bhupatindra Malla von Bhaktapur
Das Bild der Gesellschaft dieser Zeit hatte seinen Ursprung schon vor 1482: der König regierte als Inkarnation von Vishnu mit göttlichem Recht. Von seinen Tugenden oder Fehlern hing das gesamte Leben der Stadt ab, denn er übte alle Macht aus, sowohl die exekutive, die legislative als auch die judikative. Den Herrscher unterstützte ein Premierminister, dem wiederum eine Anzahl von Ministern beratend zur Seite standen. Zwar waren diese Ämter nicht erblich, doch wählte der König seine Staatsbeamten meist innerhalb des Adels aus. Unter diesen kamen dem obersten Priester (rajguru), dem Astrologen (rajadaivajna) und dem Physiker (rajavaidya) besondere Bedeutung zu.
Girbanyudha Bir Bikram Shah, 1816 Rajendra Bir Bikram Shah, ca. 1820
Surendra Bir Bikram Shah, 1854 Prithvi Bir Bikram Shah, 1882
Zodiac-Siegel von Prithvi Bir Bikram Shah, 1909
Als Umschlagplatz des internationalen Handels der alten Indien-Tibet-Verbindung und als direkter Handelspartner konnte das Kathmandu-Tals wirtschaftlich erblühen und zu Wohlstand und Reichtum gelangen. So wurden z.B. die Bronzefiguren für die Klöster in Tibet im Kathmandu-Tal hergestellt, Salz und Stoffe gehandelt, Wegzölle erhoben usw. Doch hatten sich die drei Königreiche durch ihre Rivalitäten politisch nach und nach in ihrer Kraft erschöpft. Das Königshaus verzehrte sich in innerer Rivalität, war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um das ganze Land zu kontrollieren. Immer mehr machten die lokalen Fürsten draußen im Lande ihre eigene Politik und regierten wieder als souveräne Kleinstaaten auf nepalischem Boden. So ist bekannt, dass es ein Malla-Königreich Jumla gegeben hat, welches sowohl im Norden Gebiete des heutigen Tibet als auch im Westen Gebiete des heutigen Indien umfasste, und dessen Herrscher es sogar gelang, das wohlhabende Königreich Mustang zu übernehmen.
Mustang
Auch weiß man um die Existenz eines Mukunda Sen, Magar-König von Palpa, um die „24 Staaten“ des Chaubise-Reiches in Zentral-Nepal oder um die „22 Staaten“ des Baisi-Reiches, das bis zur heutigen Westgrenze Nepals reichte, und dessen Bewohner mongolischen Ursprungs waren, welche von aus Indien eingewanderten Hindus dominiert wurden, die ihrerseits vor der Muslim-Invasion geflüchtet waren.
Rani Pokhari König Pratap Malla
Von Norden jedoch drohte Gefahr für Tibet. Nachdem 1644 Manchu-Heere Peking eroberten und die „Qing Dynastie“ einsetzten, expandierten sie mit brutaler Gewalt nach Süden. Zwar versuchte in Tibet der 5. Dalai Lama, Ngawang Lobsang Gyatso, friedliche Beziehungen zu der aufblühenden Macht der Manchu herzustellen und wurde diesbezüglich 1652 sogar nach Peking eingeladen, doch gelang es den Manchus im Laufe der nächsten 50 Jahre Differenzen zwischen rivalisierenden Gruppen in der tibetischen Regierung auszunutzen und eine erhebliche Einflusssphäre in Lhasa aufzubauen: Vertreter der Manchus, die „Amban“ genannt wurden, waren von 1728 bis zum Fall der Dynastie 1911 in Lhasa stationiert. Über das tatsächliche Ausmaß ihrer Machtbefugnis gibt es allerdings Meinungsverschiedenheiten. Einerseits sollen die Ambans gleichrangig mit dem Dalai Lama und dem Panchen Lama gewesen sein, andererseits hatten sie die Anweisung, sich nicht in die Innenpolitik Tibets einzumischen und sich jeder Ausbeutung zu enthalten. Dennoch fiel Tibet zu dieser Zeit unter eine gewisse Form der Manchu „Protektion“ und unterstand nominell der Regierung in Peking, geriet nach einem Aufstand gegen die Manchus 1724 sogar unter die direkte militärische Kontrolle Chinas.
Briefe des chinesischen Amban
In Nepal ging indessen die Zersplitterung des Landes mit dem Verfall der Macht der Mallas einher und bereitete schließlich deren Sturz vor sowie die Einleitung dessen, was die Historiker das moderne Zeitalter Nepals nennen: die Eroberung des Landes durch die Gorkha-Dynastie der Shah, etwas 60 Kilometer westlich von Kathmandu gelegen. 1734 bestieg Jaya Prakashmalla den Thron von Kathmandu. Er sollte der letzte Herrscher der Malla-Dynastie sein. Man übersah den machtvollen Aufstieg des Gorkha-Prinzen Prithvi Narayan Shah, dem die Herrscher des Kathmandu-Tals das Haupthindernis für seine eigenen Expansionsabsichten waren. Am Tag des Indrajatra-Festes 1768 eroberte Prithvi Narayan Shah zunächst Kathmandu, dessen Bevölkerung anläßlich des Festes zu betrunken war, um sich zu wehren. Später eroberte er nacheinander Patan und Bhaktapur und wurde uneingeschränkter Herrscher im ganzen Tal. Die Dynastie der Shah war begründet bestand bis zum 29. Mai 2008 fort. Kathmandu wurde Hauptstadt.
Silbermünzen von König Jaya Prakash Malla von Kathmandu für Tibet
Die innenpolitischen Veränderungen hatten jedoch auch direkte außenpolitische Folgen. Schon lange vor der Machtübernahme Prithvi Narayan Shahs hatten intensive Handelsverbindungen zwischen Nepal und Tibet bestanden. Diese waren für beide Seiten so Gewinn bringend, dass die Beziehungen seit Jahrhunderten durch nepalesisch-tibetische Ehen gefestigt wurden. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor war die Herstellung von Münzen für Tibet. Tibet, das keine Möglichkeiten zur Prägung von Münzen hatte, bezog seine Silbermünzen bisher von den Malla-Königen. Wahrend der Blockade des Kathmandu-Tals, die Prithvi Narayan zur Übernahme der Malla-Königreiche errichtet hatte, konnte Jaya Prakash Malla von Kathmandu jedoch nicht mehr reine Silbermünzen, sondern nur minderwertige Münzen aus einem Gemisch von Silber und Kupfer liefern. Die Tibeter bestanden daher auf Ersatz durch Münzen aus reinem Silber, den Prithvi Narayan Shah nach Übernahme der Malla-Königreiche jedoch nicht leisten wollte. Als Reaktion auf die schlechte Qualität des Silbers verkaufte Tibet, damals der alleinige Lieferant von Salz, im Gegenzug unreines Salz, welches mit Staub gemischt war, an Nepal. Dieser Münzkonflikt sollte bis in die Nepal-Tibet Kriege 1788-1792 andauern.